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Eismeister Zaugg

Klaus Zaugg über die SC Bern Krise – was das mit Ajoie zu tun hat

Marc Marchon (SCB), Louis Fuellemann (SCB) und Nils Rhyn (SCB), von links, reagieren nach dem Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem SC Bern und dem HC Lugano, am Freitag, 24.  ...
Lange Gesichter beim SC Bern nach der Niederlage gegen Lugano.Bild: keystone
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SC Bern – der HC Ajoie der reichen Leute

Das 1:4 gegen Lugano markiert einen neuen Tiefpunkt: Dem SCB bleibt nicht einmal mehr die Gnade der guten Ausrede. Für das heutige Spiel gegen Fribourg-Gottéron ist gar Oltens Fadri Riatsch engagiert worden. Keine Polemik. Eine betont sachliche, objektive Bestandsaufnahme eines einstigen Titanen.
25.10.2025, 09:4725.10.2025, 12:41

Eigentlich hätte der neue SCB-Trainer Heinz Ehlers nach dem 1:4 gegen Lugano eine plausible Ausrede gehabt: neun verletzte Spieler! So war es unmöglich zu gewinnen! Tatsächlich fehlten dem SCB gegen Lugano Tristan Scherwey, Miro Aaltonen, Simon Moser, Marco Lehmann, Anton Lindholm, Samuel Kreis, Mats Alge, Joël Vermin und Levin Moser.

Eine Erklärung oder gar eine Ausrede für die Niederlage sind diese Ausfälle nicht. Das Spiel verloren die Stars und nicht die Ersatzmänner. Hier die ernüchternde Bilanz:

  • Benjamin Baumgartner: minus 3
  • Ramon Untersander: minus 3
  • Emil Bemström: minus 2
  • Marc Marchon: minus 2
  • Victor Ejdsell: minus 1
  • Marco Müller: minus 1
  • Waltteri Merelä: minus 1
Noah Fuss (SCB), Benjamin Baumgartner (SCB) und Victor Ejdsell (SCB), von links, reagieren nach dem Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem SC Bern und dem HC Lugano, am Freitag ...
Benjamin Baumgartner hatte einen Abend zum Vergessen.Bild: keystone

Die gut gelöhnten Leitwölfe versagten auf der ganzen Linie und kurvten auf dem Eis herum, als die Gegentore fielen. Den Ehrentreffer erzielte der Junior Alain Graf (20).

Nun soll für das Spiel heute gegen Gottéron Oltens Fadri Riatsch (26) helfen. Ein flinker Flügelfloh (172 cm) mit der Erfahrung aus 4 Einsätzen in der National League mit Davos, aber etwas mehr als 300 in der Swiss League mit Visp und ab dieser Saison mit Olten, wo er mit 12 Punkten aus 14 Spielen die zweithöchste Liga ein wenig rockt. Der grosse SC Bern transferiert inzwischen wie Ajoie.

Erschreckend beim SCB war gegen Lugano das Fehlen jeglicher Spielintensität. Was sogar Heinz Ehlers einräumte, der sonst in der Niederlage sein eigenes Team nie kritisiert. Ist auch er – wie sein Dienstherr Marc Lüthi – altersmilde geworden? Zu wenig böse? «Vielleicht», sagt er.

Der Trainerwechsel zeigte nur kurz Wirkung: beim 3:0 gegen Zug und beim ehrenvollen 1:2 in Davos. Seither fällt der SCB immer schneller ins alte Fahrwasser zurück und kam in Ambri nur dank eines Stromausfalls der gegnerischen Goalies (die drei ersten Treffer haltbar) zu einem Sieg. Ein Blick über die aktuelle Saison hinaus zeigt eine beunruhigende Entwicklung: Der Hockey-Konzern SC Bern (rund 60 Millionen Jahresumsatz) ist der HC Ajoie (14 Millionen Umsatz) der reichen Leute geworden.

Head coach Heinz Ehlers (SCB) gather his thoughts on the bench, during the regular season National League game between HC Ambri Piotta and SC Bern at the ice stadium Gottardo Arena, Switzerland, Octob ...
Heinz Ehlers erbrachte bisher nicht den gewünschten Effekt.Bild: keystone

Im Frühjahr 2021 ist Ajoie in die höchste Liga aufgestiegen und stagniert sportlich völlig: Im Frühjahr werden die Jurassier zum fünften Mal in Serie den letzten Platz belegen.

Im gleichen Zeitraum hat ein anderes Hockeyunternehmen gleich wenig sportliche Fortschritte erzielt: der SC Bern. In Ajoie ist die sportliche Stagnation (= Zustand des Stillstandes) fehlenden finanziellen Mitteln geschuldet. In Bern einer in diesem Ausmass in der Klubgeschichte (seit 1933) noch nie dagewesenen sportlichen Misswirtschaft.

Dem SCB fehlt ausser viel Geld alles, was es für die nachhaltige sportliche Erneuerung braucht: eine Strategie in Taten (nicht eine solche in Worten), ein funktionierendes Scouting und eine sportliche Identität. Die Berner, die einst als «Big Bad Bears» die Liga rockten, sind heute das weichste und – schlimmer noch – langsamste Team der Liga.

Die Zusammenfassung des Spiels gegen Lugano.Video: YouTube/National League

Krisen haben alle Titanen zu bewältigen. Das gehört zu den ewigen Gesetzen des Sportes. Krisen sind kein Problem, wenn sie nicht einfach hingenommen werden und alles unternommen wird, um wieder an die Spitze zu gelangen. Aber das bedingt, dass die sportliche Führung erkennt, warum es zu einer Krise gekommen ist, eine klare Vorstellung hat, wie die Krise überwunden werden kann, und den Mut zu notfalls einschneidenden, aber durchdachten personellen Veränderungen hat. Das alles fehlt in Bern.

Beim SCB ist aus einer Krise inzwischen Stagnation geworden. Nichts illustriert den Zerfall einer einst blühenden, vorbildlichen und meisterlichen Leistungskultur besser als die legendäre Aussage von Ramon Untersander in einem vom Klub-Kommunikationschef autorisierten Interview: «Müssen wir immer Erster sein?»

Unter Jussi Tapola gab es letzte Saison ein kurzes Zwischenhoch. Ja, sogar eine Entwicklung, die bis in den Final hätte führen können und immerhin mit Rang drei in der Qualifikation zinste. Doch die sportliche Führung wusste nicht, warum es auf einmal funktionierte – und war deshalb nicht in der Lage, korrigierend einzugreifen, als die Entwicklung aus dem Ruder lief.

Solange der Finne ein taktischer Lehrmeister war, folgten ihm die Spieler willig. Aber als er zum taktischen Polizisten und schliesslich zum taktischen Diktator mutierte, verlor er die Mannschaft. Die sportliche Führung hatte nicht eingegriffen und dem Trainer auch noch blindlings alle Transferwünsche erfüllt.

Heinz Ehlers ist in der aktuellen Notlage eine vernünftige Lösung. Auch deshalb, weil er als Einziger, der mit den helvetischen Verhältnissen vertraut ist, sofort verfügbar war und mit einem Vertrag lediglich bis Ende Saison zufrieden ist. Er wird ab und an ein Spiel gewinnen und jeder Sieg wird als Zeichen der Erneuerung, der Wende, des Beginns einer neuen Ära umgedeutet. Aber ist Heinz Ehlers der Trainer, der den SCB zu erneuern vermag? Hat er die dazu erforderliche Energie noch?

Head Coach Heinz Ehlers (SCB) hinter der Bande, im Eishockey Spiel der National League zwischen HC Davos, HCD und SC Bern, SCB, am Sonntag, 12. Oktober 2025, in der zondacrypto-Arena in Davos. (KEYSTO ...
Ehlers steht erst seit einigen Wochen beim SCB an der Bande.Bild: keystone

In Bern hat längst eine neue Ära begonnen. Eine Ära des Zerfalls. Kritik an der sportlichen Führung wird von den Kapitänen und Offizieren auf der Kommandobrücke dieser Hockey-Titanic gerne als Polemik abgetan. Sie fühlen sich auf einem unsinkbaren Dampfer sicher und haben nicht bemerkt, dass der Maschinenraum mit Wasser vollläuft. Der Hochmut aus den Jahren des Ruhmes mit den drei Titeln (2016, 2017, 2019) wirkt nach.

Aber das Volk lässt sich nicht mehr durch Phrasen täuschen. Noch 14'502 Männer, Frauen und Kinder wollten an einem idealen Spieltag (Freitag) das 1:4 gegen Lugano sehen. Das ist eine Zahl, die bei Marc Lüthi eigentlich Unruhe auslösen müsste. Zum Vergleich der Publikumsaufmarsch der beiden Qualifikationspartien gegen Lugano in den letzten zwei Jahren: 2024/25: 15'035 (an einem Dienstag) und 16'284 (an einem Donnerstag). 2023/24: 15'811 und 15'421 (beide an einem Dienstag). Wenn erst einmal die Erosion des Publikumsinteresses eingesetzt hat, kann die Erholung Jahre dauern.

Leere Sitzplaetze zu Beginn des dritten Drittels im Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem SC Bern und dem HC Lugano, am Freitag, 24. Oktober 2025 in der PostFinance Arena in B ...
Einige Plätze blieben gegen Lugano leer.Bild: keystone

Noch etwas müsste Marc Lüthi nachdenklich stimmen: Einer der einflussreichsten, international tätigen Spieleragenten hat kürzlich gesagt: «Der Einzige, der beim SC Bern noch Leidenschaft und Freude ausstrahlt, ist Diego Piceci. Er ist ein Glücksfall für den SCB.» Diego Piceci ist Untersportchef und darf zusammen mit Obersportchef Martin Plüss Spielerverträge unterzeichnen.

PS: Was den SC Bern und den HC Ajoie auch noch verbindet: Es kann nur besser werden.

  • Stürmer
  • Verteidiger
  • Torhüter
Player Image

Nation Flag

Aktuelle
Note

info
  • 7

    Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.

  • 6-7

    Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.

  • 5-6

    Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.

  • 4-5

    Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.

  • 3-4

    Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.

  • Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.

Punkte

Goals/Assists

Spiele

Strafminuten

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quelle: keystone / ennio leanza
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79 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Äuäscho
25.10.2025 10:30registriert August 2025
Das Spiel gestern ist eine Bankrotterklärung für Bern und die Verantwortlichen. Sollte Merelä,der gefühlt jeden zweiten Wechsel gespielt hat verletzen,kann Bern das Stadion schliessen. Ich bin Abobesitzer in Bern und es ist mitllerweile ein einziges Trauerspiel geworden. Den katastrophalen Zustand der Mannschaft sieht man im Powerplay. Da kam nichts,wirklich rein gar nichts. Diese Mannschaft ist tot,emotional,taktisch,technisch und spielerisch. Eine von mehreren Personen zusammengestellte,zusammengestrichene,zusammengeflickte Mannschaft.Bern ist ein unaktraktiver Arbeitgeber geworden. Traurig.
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Zanzibar
25.10.2025 11:13registriert Dezember 2015
Während der letzten 2 Saisons war die Berichterstattung eine andere. Wir kamen in den Genuss von 8 Teilen der Serie „und am Ende dieser Entwicklung muss (später dann „kann“) der nächste Titel stehen.
Okay damals wurde von Zaugg stets Wüthrich als Wundergoalie bezeichnet. Dieser Super Goalie welcher bei Ambri die Nummer 1B ist, mit einer Fangquote von 88.89…
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Medical Device
25.10.2025 10:38registriert Januar 2021
versagt haben die Stars... und dann eine Aufzählung von Spielern die kaum zum Star taugen....
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